Tamron 70-210 f/4 im Test

Die Frage welches Teleobjektiv für Canon soll ich kaufen ist wieder ein Stück schwerer zu beantworten. Denn mit dem 70-210 f/4 VC gibt es jetzt auch von Tamron ernsthafte Konkurrenz zu den f/4 70-200mm Zooms, die es bisher nur von Canon gab.

Preislich hatten die Dritthersteller durchaus Alternativen im Sortiment, allerdings nur mit Offenblende f/2,8. Wer ein kompaktes 70-200mm Telezoom suchte und die Lichtstärke nicht brauchte, konnte nur zum Canon 70-200mm f/4 L greifen.

Das 70-210 von Tamron verfügt über einen Bildstabilisator und siedelt sich preislich etwa zwischen dem stabilisierten und nicht stabilisierten Linsen von Canon an. Für ein kompaktes Telezoom also definitv eine Überlegung wert. Was die Linse tatsächlich taugt, schauen wir uns jetzt an.

Technische Ausstattung

An Technik im Objektiv knausert Tamron nicht. Die Linse hat alles, was man auch von einem Canon L-Objektiv auch erwarten würde. Innenfokussierung, Ultraschallmotor, hochwertige Vergütung und Bildstabilisator. Alles drin. Es fährt auch beim Zoomen nicht aus. Finde ich super. Ich traue diesen Rillen, die da entstehen, einfach nicht.

Bei der Ausstattung am Objektiv wird leider etwas gespart. Die Stativschelle, die der Sache bei Nutzung auf einem Stativ absolut gut täte, fehlt und muss teuer dazugekauft werden.

Von Canon kennt man das ja und dort weigere ich mich auch die Originalteile zu kaufen. Von einem Anbieter der durch Qualität und Preis im Vergleich zum Original punkten will, hätte ich das nicht erwartet. Zumindest nicht zu aktuell über 100 Euro. Das Teil ist ja nicht aus Gold oder so… Und der Arca-Swiss kompatibele Fuß (was wirklich eine durchdachte Neuerung ist) ist die Sache auch nicht wert.

Zum Glück verwende ich solche Brennweiten in der Regel nicht auf dem Stativ, sodass es mich nicht weiter stört. Insgesamt liegt das Objektiv gut in der Hand, hat ein angenehmes Gewicht, Zoom- und Fokusring sind gummiert und lassen sich grundsätzlich gut bedienen.

Zubehör

Nochmal kurz zusammegefasst: Gegenlichtblende ist dabei, Deckel für vorne und hinten auch. Stativschelle nur optional gegen teures Geld. Einen Aufbewahrungsbeutel gibt’s nicht. Brauche ich persönlich auch nicht. Fällt aber durch Abwesenheit doch auf.

Tamron 70-210 f/4

Haptik

Designtechnisch hat sich Tamron mit den neuen Objektiven nicht lumpem lassen. Ähnlich wie die neuen Sigmas kommen auch die Tamronlinsen sehr edel und hochwertig daher. Zugegeben: Man sieht jeden Fingerabdruck darauf (bei Tamron und auch bei Sigma). Ich ertappe mich auch hin und wieder dabei, wie ich das Objektiv abwische.

Die Gegenlichtblende ist aus Kunststoff, auf der Innenseite geriffelt, um Streulicht noch besser zu eliminieren. Ob das besser oder schlechter ist, als die “Filzauskleidung” bei Canon, kann ich nicht beurteilen. Auffällig ist, dass die Streulichtblende, sowohl in Durchmesser als auch Höhe, sehr klein ausfällt, verglichen mit der des Canon 70-200mm f/4 L.

Markierungen zum richtig Ansetzen sind natürlich drauf, ebenso am Bajonett zum Anbringen an der Kamera. Allerdings recht spartanisch, sodass man schon danach suchen muss.

Etwas unterhalb der Mitte sind die üblichen Schalter zum An- und Abschalten des Autofokus beziehungsweise des Bildstabilisators zu finden. Der Widerstand ist gut, sodass hier nicht mal eben beim Verstauen etwas verstellt werden kann. Dabei sind die Schalter griffiger als bei Canon beispielsweise, die man eher schlecht greifen kann.

Größenvergleich des Tamron 70-210mm f/4
Ich hab’ mich bewusst gegen ein großes f/2,8 und für ein komapktes f/4 entschieden

Manueller Fokus & Zoom

Hier geht’s mir in erster Linie um die Bedienung oder besser gesagt Bedienbarkeit der beiden Ringe. Der Fokusring läuft wirklich super geschmeidig mit einem angenehmen Widerstand. Ich hab’ auch schon öfter manuell scharfgestellt. Da kann man echt nicht meckern.

Der Zoom läuft auch flüssig. Der Weg von 70 auf 210 mm und zurück ist nicht zu kurz aber auch nicht so lang, dass man es nicht mit einer Handbewegung schaffen würde.

Was ich gewöhnungsbedürftig finde, sind die Positionen. Ich kenne es nur so, dass der Zoomring näher zur Kamera liegt und der manuelle Fokus eher Richtung Frontlinse. Hier ist es andersrum.Vielleicht ist das auch gar nicht schlecht. Ich bilde mir ein, dass man so die Kamera mit Objektiv stabiler halten kann, da man ja fast an den beiden Enden der Kombi ansetzt.

Die Drehrichtung ist auch bei beiden andersrum als bei Canon. Das sorgt, gerade am Anfang für Irritationen. Wenn man es aber mal verinnerlicht hat, dass das bei dem Objektiv eben anders ist, nimmt man es kaum noch wahr.

Erwähnen möchte ich noch kurz die vergleichsweise geringe Naheinstellgrenze, die bei 0,95 Metern liegt. Beim Canon f/4 sind es 1,2 Meter, beim f/2,8 sogar 1,5 Meter. Das ist für Nahaufnahmen schon ganz brauchbar.

Zoom und Fokus am Tamron 70-210mm f/4
Der Zoomring ist hier rechts im Bild, der manuelle Fokus links

Autofokus (AF)

Generell bin ich mit dem AF zufrieden. Ein typischer Ultraschallmotor eben. Sehr schnell und leise. Auch das Nachführen des Fokus klappt an der EOS 6D Mark II im Test und in der Praxis sehr gut und zügig.

Einzige Kleinigkeit, die mir aufgefallen ist: Der Wechsel von Naheinstellgrenze auf unendlich oder umgekehrt macht dem AF Probleme. Wenn ich den Fokus auf Naheinstellgrenze stelle und dann auf unendlich fokussiere, ist der AF eindeutig am Suchen. Ich habe das extra nochmal mit einem Canon 70-200 mm f/4 L ausprobiert. Hier läuft der Fokus zielsicher auf die passende Einstellung.

Meiner Meinung nach gibt es hier ein kleine Kommunikationsproblem zwischen Objektiv und Kamera. Ich hoffe, dass hier mit einem Update der Firmware über Tamrons Tap-in Konsole nochmal nachgebessert werden kann.

Wenn man’s weiß kann man damit ganz gut umgehen aber am Anfang war ich schon verwundert was der AF da macht.

Bildstabilisator

Bei Actionfotos ist ein Bildstabilisator wenig sinnvoll. Da fällt die Bewegung des Motivs viel mehr ins Gewicht und verlangt passende Verschlusszeiten. Bei Nahaufnahmen, für die das Objektiv mit seiner Naheinstellgrenze durchaus geeignet ist, ist so ein Stabilisator Gold wert.

Ich hab’ jetzt nicht getestet wie viele Blenden du dadurch länger belichten kannst ohne zu verwackeln. Da geben sich die verschiedenen Hersteller, denke ich, nicht viel. Generell hilft es aber auch schon das Motiv überhaupt im Bild zu behalten.

Übrigens: So einen leisen Bildstabilisator hatte ich noch nicht. Es kommt immer noch vor, dass ich beim Fotografieren schaue, ob er an oder aus ist, weil ich einfach nichts davon höre.

Abbildungsleistung

Hier erfüllt das Objektiv meine Erwartungen voll und ganz. Die Linse liefert auch bei Offenblende sehr scharfe Bilder an meiner EOS 6D Mark II. Das Bokeh ist dabei angenehm ruhig und die Farben kommen sehr intensiv auf dem Sensor an. Bildfehler wie Vignettierungen oder chromatische Aberrationen sind im Grunde nicht wahrnehmbar.

Meinen Ansprüchen genügt das Objektiv hier voll und ganz. Hier noch ein paar Bilder. Die Fotos sind bearbeitet, hauptsächlich aber Farben und Helligkeiten. Die Schärfung musste ich in Capture One manchmal sogar etwas zurückdrehen.

Da sich der Preis ja doch immer wieder ändert, schreibe ich den hier gar nicht rein, sondern verlinke das Objektiv bei Amazon. Als erster Anhaltspunkt eignet sich das am besten.

9 Gedanken zu “Tamron 70-210 f/4 im Test”

  1. Schöner Testbericht. Wie schlägt es sich denn im direkten Vergleich zum Canon EF 70-200 f/4L USM? Sind ja beide ungefähr in einer Preisklasse. Ich schwanke aktuell deshalb auch zwischen den beiden. Ich habe bereits ein Tamron 24-70 2.8 G2 und bin damit überaus zufrieden, aber irgendwie tut’s mir das Canon auch an. Ich bin mir sehr unsicher

    1. In Sachen Bildqualität nehmen sie sich in der Praxis nichts. Das Canon ist vom Autofokus her vermutlich besser. Das Problem hab ich im Artikel ja beschrieben, dass der manchmal etwas absurd rumfährt. Das Tamron hat halt einen Stabilisator.

      Daran würde ich die Entscheidung fest machen. Willst du maximale Autofokusleistung oder ein stabilisiertes Bild. Wirklich falsch machen kannst du bei beiden nix.

  2. Ich habe das Objektiv auch schon eine geraume Zeit und kann nur in einem Punkt meckern, welcher mich aber massivst stört.
    Beim manuellen Fokussieren verschiebt sich der Fokus beinahe bei jedem Bild minimal.
    Mag bei Landschaften kein Beinbruch sein, bei Zeitrafferaufnahmen oder gestacken Bildern bei Nacht nervt es mich aber extremst. alle 5-10 Bilder den Fokus nachstellen? Ein No-Go!

    1. Hi Simon,
      vielen Dank für deine Ergänzung. Ich kann das weder bestätigen noch verneinen, da ich keien Zeitrafferaufnahmen mache. Aber auf jeden Fall ein Punkt den Käufer gleich prüfen sollten und ggf. das Objektiv dann zurückgeben.

  3. Moin Philipp,
    Danke für den Review.
    Der Beschreibung entnehme ich, dass Du die Bilder mit C1P bearbeitest. Dort ist dieses Objektiv (leider) nicht in der Datenbank für die Verzeichnungskorrektur enthalten.
    Ein Manufacturer Profile wird ja, vermutlich, nicht in das RAW geschrieben. Oder?
    Wie gehst Du damit um? Korrigierst Du die Verzeichnung manuell und nach Gefühl?
    Besten Dank & Grüße

    Alex

    1. Hi Alex,
      ich nutze inzwischen wieder Lightroom. Wie das mit Capture One war… Kann ich mich gar nicht mehr erinnern… Ich würde es aber manuell machen, WENN mir irgendwas negativ auffallen würde. Ansonsten lass ich die Finger davon.
      Sorry, dass ich dir da nicht mehr helfen kann.
      Viele Grüße
      Philipp

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