Testbericht Tokina AT-X 12-24mm f/4 DX II
In diesem Beitrag möchte ich von meinen Erfahrungen mit meinem ersten Ultraweitwinkel-Objektiv berichten, Stärken und Schwächen des Tokina 12-24mm f/4 beleuchten und euch generell etwas bei der Entscheidung für oder gegen ein Weitwinkel- oder Ultraweitwinkel-Objektiv helfen.
Inhaltsverzeichnis
Entscheidungsfindung
Lichtstärke ist nicht so entscheidend, da sich kürzere Brennweiten auch bei längeren Verschlusszeiten noch gut aus der Hand benutzen lassen. Gleichzeitig wird bei gängigen Weitwinkelmotiven ein möglichst großer Schärfebereich angestrebt, sodass ohnehin abgeblendet und meist auch ein Stativ verwendet wird.
Eine Ausnahme gibt es aber: Wer Astrofotos schießen will, wird für jedes bisschen mehr Lichtstärke dankbar sein.
Der Autofokus (AF) braucht auch nicht rasend schnell und geräuschlos zu laufen, das Bergpanorama flüchtet in der Regel nämlich nicht so schnell, wie das Eichhörnchen im Garten.
Aber worauf kommt es eigentlich an?
Die kurzen Brennweiten neigen deutlich stärker zu diversen Anfälligkeiten (chromatische Aberrationen, Verzerrungen, Randunschärfen, …), was wohl viel mit Physik zu tun hat, wovon ich wenig verstehe. Sicher ist aber, dass mehr Kompromisse gemacht werden müssen. Einen Millimeter nach unten, zum Beispiel von 17mm nach 16mm ist komplizierter (in der Konstruktion) als von 200mm auf 300mm Brennweite zu kommen.
Folglich versucht man natürlich eine Linse zu bekommen, die möglichst frei von diesen Krankheiten ist. Fragt sich nur welche, denn die Auswahl ist recht groß. Dazu habe ich einen extra Artikel geschrieben, der sich nur mit der Frage beschäftigt welches (Ultra-) Weitwinkel das richtige für eine Canon Kamera ist.
Da ich immer wieder von den Tokina-Objektiven als eine Art “Geheimtipp” gehört und gelesen hatte fiel die Entscheidung letztendlich auf eines davon. Das Canon war zwar verlockend aber doch vergleichsweise teuer.
Ein Problem blieb. Welches denn nun? Wer die Überschrift gelesen hat kennt die Antwort. Aber warum jetzt genau das?
Es hat mit der Umgebung hier zu tun.Während dem letzten Urlaub am Meer hätte ich auch 10mm problemlos nutzen können, was mit ausschlaggebend war für die Anschaffung eines Ultraweitwinkels, aber hier hat man draußen immer das Problem, dass irgendwo ein Strommast, ein Baum oder sonstwas im Bild ist oder man steht selbst im Wald und muss zwischen Bäumen und Ästen hindurch ein freies Fleckchen finden.
Für jemand, der gerne weitläufige Felder fotografiert ist das echt nervig. Mit den 24mm am oberen Ende lässt sich das zum Glück einigermaßen in den Griff kriegen ohne ständig das Objektiv wechseln zu müssen.
Erster Eindruck
Eine doch sehr schlichte und unscheinbare Verpackung. Aber es ging ja um den Inhalt, also weg mit dem Kästchen. Wie der Karton schon vermuten lässt wird die Linse ohne viel Schnickschnack ausgeliefert. Objektiv, Verschlüsse für Frontlinse und Bajonett sowie eine Streulichtblende.
Das Äußere des Objektivs ist aus Plastik, das Bajonett aus Metall. Der Kunststoff ist nicht glatt sondern mit kleinen Partikeln versehen, die wohl den Eindruck einer Metalllegierung, wie sie beispielsweise bei der L-Serie von Canon verwendet wird, vermitteln soll. Sonderlich gelungen finde ich die Imitation nicht.
Einen “billigen” Eindruck macht das Objektiv trotzdem nicht. Es liegt angenehm, wenn auch überraschend schwer, in der Hand (ca. 540g bei etwa 10cm Länge) und wirkt äußert stabil. Wie stabil wirklich kann ich (glücklicherweise) nicht sagen.
Die Streulichtblende ist ebenfalls Metalllegierungsimitat. Die Innenseite ist mit einer Art Filz ausgekleidet, das die letzten Reste Streulicht schlucken soll: Pluspunkt! Markierung zum richtigen Ansetzen sind auf dem Objektiv und der Blende vorhanden, was ich bei manchen Canon-Objektiven immer vermisse. So lässt sich das Teil ohne viel Gefummel ganz leicht anbringen.
Ansonsten ist der Tubus frei von Schaltern, da die Umstellung von Autofokus auf manuelles fokussieren über den Fokusring läuft, dazu aber später mehr.
Handhabung
An das Gehäuse der Kamera angeschraubt liegt die Kombination gut in der Hand, sowohl Fokus- als auch Zoomring sind problemlos zu erreichen und zu bedienen.
Beide Ringe sind gummiert und schön griffig. Der Zoom läuft nach mittlerweile 16 Monaten nicht mehr ganz gleichmäßig. In Drehrichtung 12mm besonders und im unteren Brennweitenbereich allgemein ist er spürbar leichtgängiger, wobei die Brenweite sich nicht von alleine verstellt oder etwas in der Art. Der Widerstand, den der Zoomring einem im Bereich 24mm entgegensetzt ist nur deutlich stärker, fast schon zu stark für meinen Geschmack.
Der Fokusring dagegen läuft absolut gleichmäßig, einen Tick zu leichtgängig und nicht ganz so geschmeidig wie beim Canon EF 70-200mm f/4 L USM aber vollkommen in Ordnung, mehr kann man hier nicht erwarten.
Eine “Besonderheit” hier ist der Wechsel zwischen manuellem Fokus und Autofokus. Wie bereits erwähnt gibt es keinen Schalter, stattdessen muss der Fokusring nach unten, also zum Kameragehäuse hin, gezogen werden, wovon ich insgesamt wenig begeistert bin.
Dadurch entsteht ein unnötig großer Spalt, durch den alles mögliche ins Innere gelangen kann. Klar ist das Objektiv nicht als abgedichtet ausgewiesen aber die Rillen beim Zoom sind deutlich kleiner und der Ring knirscht beim Drehen nicht.
Des weiteren kann man durch dieses “Feature” den Autofokus bei Panoramen oder HDR-Aufnahmen nicht nutzen, da man hier für gewöhnlich zu Beginn scharf stellt, anschließend den Autofokus abschaltet, um dann mehrere Aufnahmen zu machen.
Problem hier ist, dass sich der Fokusring unmöglich zurückziehen lässt ohne den aktuellen Fokuspunkt zu verändern. Auf die Gefahr hin, dass das jetzt etwas dramatisch klingt noch der Hinweis, dass es an Kameras mit Live-View kein Problem ist manuell scharf zu stellen. Dennoch keine durchdachte Konstruktion in meinen Augen.
Ein Eingreifen in den Autofokus ist nicht möglich, auch wenn sich der Ring bei aktiviertem AF von Hand drehen lässt. Während dem Fokussieren läuft er nicht mit.
Es ist zwar kein Ultraschallmotor verbaut, trotzdem ist der Autofokus recht schnell unterwegs, zu langsam war er mir noch nie. Das Geräusch des Motors ist leiser als beispielsweise dem Tamron 18-200mm f/3,5-6,3 aber etwas höher in der Frequenz, wobei auch das mich persönlich nicht stört. Alles im Rahmen also.
Abbildungsleistung
Die Bildqualität an sich lässt nicht viel zu wünschen übrig. Verzerrungen sind mir bisher keine negativ aufgefallen, mittlerweile bieten Adobe Lightroom 4 und Photoshop CS 5.5 auch ein Korrekturprofil für das Objektiv. Allerdings entstehen bei starken Kontrasten gerne mal heftige Farbsäume, die sich nicht einfach über einen Schieberegler ausbügeln lassen. In solchen Fällen ist dann schon die Photoshop-Keule und etwas Handarbeit gefragt. Da gibt es durchaus Weitwinkel-Lösungen, die besser abbilden.
Durch Abblenden wird den Abbildungsfehlern etwas entgegengewirkt. Auch Schärfe und Auflösung, bei Offenblende zwar annehmbar, lassen sich nochmals steigern und erreichen ihr Maximum etwa bei f/8.
Anwendungsgebiete
Im Grunde genommen kein sehr ergiebiges Thema im Falle eines Weitwinkels. In der Regel fotografiert man damit “Scapes”. Immer nur von Landschaften zu sprechen wäre nicht ganz richtig, immerhin gibt es auch Wasseroberflächen oder Himmel abzulichten. Im Englischen spricht man da von Land- Water- and Skyscapes, im Deutschen bin ich noch auf kein Wort gestoßen, welches das alles so schön zusammenfasst. Wer eins findet bitte melden.
Für diejenigen, die Pol- oder Graufilter etwa für Langzeitbelichtungen nutzen möchten der Hinweis: Das Tokina verfügt über ein 77mm Filtergewinde.
Es gibt aber, neben Architektur natürlich, noch andere Anwedungsmöglichkeiten. Die sind, zugegeben, etwas speziell und Geschmackssache sowieso, führen aber durchaus zu interessanten Bildern. Durch die unvermeidliche Verzerrung bei einem derart weiten Winkel kann man beispielsweise recht ungewöhnliche Portraits (von Mensch und Tier) machen.
Das nur als Anregung mal ein bisschen mit der doch etwas ungewöhnlichen Perspektive eines Ultraweitwinkels zu experimentieren. Möglich ist das mit dem Tokina definitiv, einzig das Spiel mit der Unschärfe gestaltet sich als schwierig.
Fazit
Mit Sicherheit ein brauchbares Objektiv für jeden (ambitionierten) Hobbyfotografen, ob es auch für einen Profi taugt ist fraglich, allein schon aus dem Grund, dass es nicht für Vollformatkameras geeignet ist. Wobei das auf die meisten im ersten Teil genannten Objektive zutrifft. Trotzdem sollte jeder von einem Kauf absehen, der sich mit dem Gedanken trägt in absehbarer Zeit auf eine DSLR mit Sensor im Kleinbildformat umzusteigen.
Ebenfalls Bedenken sollte man, dass eine Brennweite von 12-24mm schon etwas spezieller ist und dadurch etwas einschränken kann. Deshalb vorher gut überlegen ob nicht vielleicht ein Tamron 17-50mm f/2,8 oder ein Sigma 18-35mm f/1,8 besser geeignet sind.
Rein von der Performance gesehen ist das Objektiv immer noch sehr empfehlenswert, die Bildqualität ist unter den richtigen Vorraussetzungen fantastisch und die Mechanik funktioniert. Dennoch gibt es zwei Punkte, die man heute vor dem Kauf berücksichtigen sollte.
Zum einen gibt es in Deutschland keinen Tokina Service. Die nächste Anlaufstelle hierfür ist in den Niederlanden, wobei die Meinung darüber geteilt sind, in meinen Augen mit Tendenz ins Negative. Eigene Erfahrung habe ich hierzu allerdings noch nicht gemacht. Daumen drücken, dass es so bleibt. Meinungen und Berichte zu dem Thema gibt es im Internet reichlich.
Zum anderen hat das Objektiv eine doch beachtliche Preisentwicklung durchgemacht. Innerhalb von gut einem Jahr ist der nämlich um gut und gerne 100 Euro angestiegen, den aktuellen Preis könnt beispielsweise bei Amazon anschauen.
Danke für diese sehr informative Beschreibung. Sind zwar “nur” Ihre Erfahrungswerte aber wenigstens macht das jemand ;o)
Aufgrund der Erfahrung des Autors hab ich von dem Kauf des Objektivs doch Abstand genommen, so groß sind meine Ambitionen für diese spezielle Art der Fotografie dann doch nicht…!