Testbericht Canon EF 70-200mm f/4 L USM

In diesem Beitrag möchte ich euch eins meiner Lieblingsobjektive von Canon vorstellen, das EF 70-200mm f/4 L USM. Vielleicht hilft es dem einen oder anderen ja bei einer anstehenden Kaufentscheidung. Es ist kein wissenschaftlicher Labortest, sondern mein Eindruck, den ich in der praktischen Nutzung des Objektivs gewonnen habe. Die Kurzfassung findet ihr am Ende des Beitrags.

Entscheidungshilfe Teleobjektiv

Dass ein neues Objektiv her musste stand außer Frage, nur welches? Auf jeden Fall etwas im Telebereich. Für Action-Fotos, Wildlife-Aufnahmen. Das war leider auch schon alles, was mir dazu einfiel, denn wirklich Ahnung hatte ich nicht. Es blieb also nur Recherche.

Von Tamron hatte ich erstmal die Nase voll. Sigma schien mir auch nicht besser, deshalb sollte es eins von Canon werden. Zu allem Überfluss war mein Budget eher klein, was sich im Allgemeinen nicht so gut mit dem Kauf eines Original Canon Objektivs verträgt.

Trotzdem hatte ich nach einigem Suchen zwei heiße Kandidaten:

Vorteile – Nachteile

Das EF 70-300mm f/4-5,6 IS USM bot mir zwar einen etwas langsameren Autofokus, da nur ein Mikro-Ultraschallmotor verbaut war, dafür aber 100mm mehr Brennweite, einen Bildstabilisator und war noch etwa 100 Euro günstiger.

Dem Gegenüber standen eine durchgängige Blende f/4, ein echter Ring-Ultraschallmotor und die hochwertige Bild- und Verarbeitungsqualität eines Canon L-Objektivs. Außerdem war es einer dieser weißen Totschlägerlinsen, die mussten ganz einfach toll sein.

Den Ausschlag gab letztendlich, neben der tollen weißen Lackierung, die Tatsache, dass 300mm für Wildlife-Aufnahmen auch noch zu kurz waren. Wegen der abnehmenden Lichtsärke im Telebereich machte ich mir da noch keine Gedanken; bisher klappte es mit einer Blende von f/6,3 ja auch. Heute möchte ich die Offenblende von f/4 nicht mehr missen.

Fairerweise muss ich noch erwähnen, dass ich mich entgegen meiner Vorbehalte Sigma und Tamron gegenüber auch dort umgeschaut hatte. Beide Hersteller bieten ein Objektiv 70-200mm f/2,8 an. Beide etwa 150 bis 200 Euro teurer als das Canon, dafür aber lichtstärker. Dennoch gab es kein allzu großes Dilemma für mich.

Der Autofokus des Tamron war genauso langsam wie der des 18-200mm und die Abbildungsleistung des Sigma sollte, laut diverser Berichte im Netz, erst abgeblendet auf f/4 vernünftig werden. Somit waren beide Kandidaten recht schnell wieder aus dem Rennen. Bestellt wurde also das Canon EF 70-200mm f/4 L USM.

Inzwischen ist die Auswahl an Telezooms deutlich gewachsen, insbesondere mit dem neuen Tamron 70-210mm f/4, das ich auch getestet habe. Wenn du noch nicht weißt welches Teleobjektiv das richtige für dich ist, schau mal in den verlinkten Artikel.

Haptik

Boah, war das gut verpackt. Trotz gespannter Erwartungen wollte ich die Verpackung nicht einfach in Fetzen reißen. Also blieb nichts anderes übrig als sich durch diverse Schichten von Luftpolsterfolie, Karton, Styropor und Plastik zu graben.

das getestete Canon 70-200 F/4 USM L

Trotz des stattlichen Äußeren, einer Länge von etwa 18cm und einem Durchmesser von etwa 7cm, sowie einem Gewicht von etwa 700g liegt das Canon EF 70-200mm f/4 L USM  gut in der Hand. Das Äußere macht einen sehr robusten Eindruck.

Die Gegenlichtblende  wirkt verglichen mit der des Tamrons geradezu riesig. Die Innenseite ist mit einer Art schwarzem Filz ausgekleidet, um auch die letzten Reste Streulicht zu schlucken. Definitiv ein Pluspunkt. Was ich allerdings vermisse sind Markierungen wo die Blende zum Befestigen am Gewinde des Objektivs angesetzt werden muss. Das ist zwar nur ein kleines Manko, dennoch ist man immer etwas mit Hin- und Herdrehen beschäftigt bis das Teil richtig sitzt.

Das Objektiv verfügt über ein 67mm Gewinde für den Einsatz von Pol- und Graufiltern. Auch wenn Filter meistens mit Weitwinkelobjektiven genutzt werden, habe ich auch schon Langzeitbelichtungen mit dem Teleobjektiv gemacht. Gerade wenn man Wasser fotografiert, kann etwas Sicherheitsabstand hin und wieder sinnvoll sein.

Das Anbringen ans Kamerabajonett verläuft dagegen problemlos, hier sind rote Markierungen angebracht.

Desweiteren sitzen auf dem Tubus noch zwei Schalter. Einer zum Ein-/Ausschalten des Autofokus, ein zweiter begrenzt den Fokusbereich von 1,2m bis unendlich auf 3m bis unendlich. Beide bieten beim Umschalten einen guten Widerstand, sodass sie nicht mal eben versehentlich umgelegt werden können. Nur beim Verpacken in den Rucksack kann das mal passieren. Die Begrenzung des Fokusbereichs habe ich noch nie gebraucht, ich denke die wird erst bei längeren Brennweiten sinnvoll.

Zubehör

Ganz alleine kommt das gute Stück freilich nicht. Im Lieferumfang enthalten sind selbstverständlich Verschlüsse für Frontlinse und Bajonett, die bereits erwähnte Streulichtblende und ein Lederbeutel zur Aufbewahrung.

Zubehör zum 70-200 f/4 L

Das Ledersäckchen erfüllt zwar seinen Zweck (das Objektiv passt hinein), findet aber eher selten Verwendung, da das Objektiv gut verstaut entweder im Fotorucksack oder in einer Schublade im Koffer liegt. Ständiges Ein- und Auspacken ist da eher lästig; hinzu kommt, dass das Objektiv bei umgedreht angeschraubter Streulichtblende nur mit etwas Fummelarbeit in den Beutel und wieder heraus zu bekommen ist.

Was fehlt ist eine Stativschelle, die man, wenn Original, teuer dazukaufen kann. Unbedingt erforderlich ist sie nicht, sofern ein tragfähiger Stativkopf und ein stabiles Stativ verwendet werden. Trotzdem ist es eine eher wackelige Sache, da die Konstruktion recht kopflastig ist. Für die dauerhafte Verwendung jedenfalls nicht zu empfehlen. Es gibt natürlich eine Menge Schellen von Drittanbietern. Schlecht sind die sicher nicht, getestet habe ich aber keine davon.

Manueller Fokus und Zoom

Das Canon EF 70-200mm f/4 L USM, seines Zeichens ja ein Tele-Zoom Objektiv, verfügt daher auch über zwei Ringe am Tubus. Einer für den Zoom, einer zum manuellen Fokussieren.

Beide Ringe sind realtiv groß und mit einer sehr griffigen Gummierung versehen. Beim Drehen bieten sie einen angenehmen Widerstand. Der Zoomring einen geringeren um schnell zoomen zu können, dennoch stark genug um nicht einfach mal zu verrutschen.

Der Fokusring ist deutlich schwergängiger, ohne unangenehm in seiner Bedienung zu sein, und lässt sich geräuschlos und absolut gleichmäßig drehen. So macht manuelles Scharfstellen Spaß. Kein Vergleich beispielsweise zum EF 50mm f/1,4 USM.

Autofokus (AF)

Ultraschnell und ultraleise dieser Ultraschallmotor. Am Geräusch eines Autofokus-Motors habe ich mich ehrlich gesagt noch bei keinem Objektiv gestört. Der geräuscharme Betrieb allein wäre daher für mich kein Kaufgrund. Die Geschwindigkeit allerdings schon und die ist hier schon der Hammer. Früher musste ich immer auf einen Punkt scharf stellen und warten bis mein Motiv vorbeikam, was unter Umständen schon mal etwas länger dauern konnte.

Jetzt kann ich es ganz bequem durch den Suchern verfolgen und auslösen wann immer ich möchte. Der Fokus sitzt nahezu immer perfekt. Allerdings sollte man darauf achten ein Autofokus-Feld mit Kreuzsensor aktiviert zu haben. Ein einfacher Liniensensor fokussiert wesentlich langsamer und trifft deutlich seltener. Selbst die mittlerweile etwas betagte EOS 450D kommt mit dem EF 70-200mm f/4 L USM richtig auf Touren. An Kameras mit professionellerem Autofokus kann das Objektiv seine Stärken natürlich noch besser ausspielen.

Abbildungsleistung

Top. Hier kann ich nur bestätigen, was eigentlich überall steht. Schon bei Offenblende äußerst scharf. Bis f/5,6 lässt es sich noch etwas steigern, alles darüber ist uninteressant. Chromatische Aberrationen treten nur bei sehr starken Kontrasten auf. Allerdings so minimal, dass sie sich problemlos korrigieren lassen. Definitv kein Grund zur Sorge.

Mehr lässt sich über die Schärfe nicht sagen, kommen wir deshalb noch auf die Unschärfe zu sprechen.

Da man problemlos auf Abblenden verzichten kann wird das Motiv wunderbar freigestellt. Der Hintergrund wird meiner Meinung nach sehr harmonisch verwischt und bildet schöne Spitzlichter. Zudem ist die Farbwiedergabe sehr natürlich, was das Bokeh wunderbar abrundet.

Außerdem löst das Objektiv hoch genug auf, sodass die Bilder problemlos etwas beschneiden kann. Für Bildbeispiele empfehle ich hier den Beispielbilder-Thread im DSLR-Forum.

Anwendungsgebiete

Das Objektiv eignet sich für nahezu alle Motive, die nicht vor dem Fotografen davonlaufen.

Wie am Anfang bereits erwähnt ist es zwar für Wildtiere deutlich zu kurz, dafür aber für Haustiere aller Art bestens geeignet. Ebenso für tobende Kinder, die trotz aller Schnelligkeit für den Autofokus kein Problem darstellen. Durch den Zoombereich bis 200mm (gegebenenfalls in Kombination mit dem Crop-Faktor des APS-C Sensor) kann man weit genug entfernt bleiben, um nicht zum Störfaktor zu werden. Das Ergebnis sind deutlich natürlichere Fotos, egal ob bei zwei- oder vierbeinigen Motiven.

Größenvergleich zwischen dem Canon 70-200 f/4 und F/2,8

Das EF 70-200mm f/4 L USM ist verglichen mit dem “großen Bruder” (Canon EF 70-200 f/2,8 L USM) schön kompakt und handlich gebaut. Auch nach mehrstündiger Benutzung hatte ich noch nie das Gefühl, dass mir die Kamera zu schwer wird.

Aufgrund der vergleichsweise geringen Naheinstellgrenze von 1,2m eignet sich das Objektiv auch sehr gut für Nahaufnahmen (keine richtigen Makrofotos mit Abbildungsmaßstab 1:1) mit ruhigem, harmonischem Bokeh. Durch die Offenblende von f/4 bleibt die, im Nahbereich ohnehin geringe, Schärfeebene noch groß genug, sodass vom Motiv genügend scharf abgebildet wird und die Aufnahmen nicht zum Fotorätsel werden. Ein richtiges Makroobjektiv ersetzt es natürlich nicht.

Zusammenfassung

Das Canon EF 70-200mm f/4 L USM ist in meinen Augen kein Objektiv für den Vollprofi, es fehlt ihm dazu einfach an Lichtstärke, mit einer Offenblende von 2,8 ist man in Situationen, in denen, unabhängig vom Wetter oder der Umgebungsbeleuchtung, fotografiert werden muss, deutlich besser dran.

Gerade an Einsteiger-DSLRs wird es dadurch etwas zur Schönwetterlinse, zumindest wenn es um Aufnahmen von sich bewegenden Motiven geht, da höhere ISO-Werte die Bildqualität doch deutlich reduzieren.

Verarbeitung, Abbildungsleistung und Fokusgeschwindigkeit hingegen lassen wenig Zweifel daran, dass das Objektiv auch den höchsten Ansprüchen gerecht werden kann, sofern es nicht auf absolute Lichtstärke ankommt.

Gerade wegen dieser Kombination von Eigenschaften siedelt sich das Objektiv im Bereich ambitionierter Amateure oder Foto-Enthusiasten an. Eine lohnende Investition für jeden, der nicht an Zeiten oder Termine für seine Fotos gebunden ist aber Qualität verlangt und auch zu schätzen weiß. Das Preis/Leistungsverhältnis des EF 70-200mm f/4 L USM ist nach wie vor unerreicht.

Alle, die ein neues Objektiv brauchen und sich jetzt gerade angesprochen fühlen, hört auf zu suchen; hier ist die Lösung.

Einen Preis habe ich absichtlich nicht genannt, da der doch immer etwas schwankt, einen aktuellen Wert findet ihr aber schnell bei Amazon.